Jens A. Poulsson

Norweger, 1918 geboren. Nahm 1943 teil an der Sabotage der Schwerwasser-Anlage von Norsk Hydro in Rjukan. Fotografiert 2003.

Er folgt der Blutspur im Schnee. Also hat er das Tier doch getroffen! Noch einige Meter und er findet das verwundete Tier, er trinkt sein Blut direkt aus der Bauchhöhle, er füllt seinen Rucksack so sehr es geht.
Fähnrich Jens Anton Poulsson schleicht still zurück zur Hütte. Man jubelt. Die drei Männer, die auf ihn in Svensbu, einer kleinen Hütte in den Bergen von Sognadalen in der Hardangervidda gewartet haben, sind hungrig.

Es ist der 23. Dezember 1942. Also wird es trotzdem ein Weihnachtsessen geben.

Eine heimliche Operation mit Codenamen „Freshman“ war der Beginn des Aufenthaltes dort oben auf Svensbu für die vier. Die Briten sollten mit zwei Segelflugzeugen ins Rjukan-Gebiet hinüber transportiert werden, danach die Kraftstation angreifen und zerstören, in der Norsk Hydro in Vemork „schweres Wasser“ herstellt. Dies ist eine Aufgabe, die die Alliierten eine Aufgabe höchster Priorität nennen, um die Deutschen daran zu hindern weiter an ei- ner Atombombe zu bauen.

Der Vortrupp "Grouse“ mit den vier Norwegern wird in die Hardangervidda geschickt. Ihre Aufgabe ist es, einen Landeplatz für die Segler ausfindig zu machen, ihn vorzubereiten und über die Wachtordnung in der Fabrik zu berichten – kurz: den Briten den Weg zum Ziel zu zeigen.

Am 18. Oktober 1942 landen die vier mit Fallschirmen oberhalb von Fjarefit im Sognadal. Diese vier Soldaten von „Grouse“ sind alle Mitglieder der Kompanie Linge, eine Bezeichnung für Norweger die während des Krieges von den Briten ausgebildet wurden.

Sie wurden für eine Reihe von geheimen Aufträgen in Norwegen eingesetzt, z.B. Sabotage, die Errichtung von Radiokontakten sowie die Ausbildung der Bürgerwehr.

Erst am 9. November erhalten sie Radiokontakt mit England und nun warten sie auf Bescheid ob und wann die große Sabotage stattfinden soll.

Aber die Nachricht, die 10 Tage später eintrifft, ist schlecht. Beide Segler der Briten sind abgestürzt. Ein Schock für die Briten, und ein Schock für den Vortrupp, der in den Bergen wartet. Eine neue Operation mit dem Codenamen "Gunnerside“ wird unmittelbar angeordnet.

Aber jetzt wird die Geduld und das Überlebensgeschick der vier Norweger in den Bergen auf die Probe gestellt.

Es ist Dezember und sie haben sich versteckt gehalten seit jener Oktobernacht, in der sie in den Bergen landeten. Jens A. Poulsson, der Junge aus Rjukan, wurde zum Anführer des Vortrupps bestimmt, welcher mithelfen soll die Schwerwasseranlage zu zerstören. In seinem Trupp sind der Fähnrich und Radiotelegraphist Knut Haugland, der Sergeant und Zweitkommandierende Arne Kjelstrup und der Sergeant Claus Helberg.

Es ist die Schwierigkeit etwas Essbares zu finden, die ihnen am meisten zu schaffen macht. In der Gegend, in der sie sich befinden, gibt es kaum Rentiere, auch kein Brennholz.

Nach der missglückten Aktion sind sie auf der Flucht, von Hütte zu Hütte um ein passendes Versteck zu finden. Sie entkommen stets den Razzien der Deutschen, die nach dem Sabotageversuch alles und alle kontrollieren, denen sie begegnen.

Aber am 19. Dezember ziehen sie in Svensbu ein, wo sie bis Ende Februar zu bleiben gedenken. Die Tage sind kurz für die vier. Sobald es dämmert, stehen sie auf, aber schon um 4-5 Uhr nachmittags ist es dunkel. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als wieder ins Bett zu gehen.

Die Tage gehen dahin – es ist ein ständiges Überlegen, ein Abwägen. Es können Tage vergehen ohne das sie Erfolg haben und das zehrt an ihren Kräften. Sollen sie diese Kräfte sparen, indem sie sich ruhig in ihrer Hütte verhalten, oder sollen sie ihre letzte Energie aufbrauchen, um ihr Jagdglück zu versuchen?
Jens versteht es meisterhaft, die Nahrung bis zum Äußersten auszunutzen. Er lernt es, alles zu nutzen was das Tier herzugeben hat – Eingeweide, Luftröhre, Mageninhalt.

Nur Fell, Hörner, Klauen und einige Knochen bleiben übrig. Manchmal mussten sie Rentiermoos von den Steinen schaben und es mit ein wenig Weizenmehl und Wasser vermengen. Aber im Gebiet von Svensbu ist es nicht ganz so schlecht, hier gibt es ausreichend Ren. Ganze 13 Stück verzehren sie während ihrer Wartezeit in Svensbu. Weiterhin warten sie auf ein Signal aus England. Es gibt zahlreiche Unwetter in dieser Zeit. Das verzögert die geplante Aktion unzählige Male.

Aus jenen Tagen und Monaten, dieser langen Wartezeit die von Einsamkeit geprägt ist, erinnert sich Jens an die kleinen Dinge: die gute Kameradschaft, das kleine Butter- stück das sie beschaffen konnten, vielleicht sogar einen köstlichen Zuckerwürfel. Ab und zu möchte er aufgeben, aber seine Zweifel verrät er dem Rest der Mannschaft nicht.

Ein Gedicht von Kipling schwirrt während der Wartezeit ständig in Jens’ Kopf herum und hält ihn aufrecht: „Hold on when there is nothing in you except the will which says to you:

Hold on.“ Erst am 23. Februar geht es los. Die Gruppe wird vervollständigt. "Gunnerside“-Leute sind wenige Tage zuvor aus England eingetroffen, sie landen in der Hardangervidda und werden in Svensbu einquartiert.

Sechs norwegische Männer schließen sich "Grouse“ an, dem Vortrupp, der seit Oktober im Versteck gelebt hat.

Sie bringen Schokolade mit, Rosinen und all den Tabak, den Jens sich nur wünschen konnte. Man diskutiert heftig in der Berghütte in jenen Februartagen 1943. Die letzten Details werden abgesprochen. Die Schwerwasseranlage soll bombardiert werden.

Die Aktion startet entgültig am 27. Februar 1943, um 20.00 Uhr. Die Männer haben weiße Winteruniformen an, und sind mit Maschinengewehren, Pistolen und Hand- granaten bewaffnet.

Der Trupp begibt sich zur Hauptstraße, versteckt Skier und Rucksäcke. Sie schlittern und rutschen 700 m durch die Felskluft, klettern über die Bahnschienen und befinden sich schließlich nahe des Fabrikeingangs. Nun warten sie auf die Wachablösung.

Die Uhr zeigt Mitternacht an. Sie schneiden sich eine Öffnung in den Zaun und nehmen ihre Stellungen auf dem Fabrikgelände ein.

Sie sind zwei Gruppen – eine, die aufpasst und ein Sprengtrupp. Ein Wachtmann wird überwältigt und vorbereitete Sprengladungen werden in nur wenigen Minuten an den 18 „schweres Wasser“-Behältern angebracht. Nach kurzer Beratung entscheidet man
sich für 30-Sekunden-Lunten, nicht für die, die zwei Minuten Zündzeit haben, wie ursprünglich geplant.

Sie zünden die Lunten an und rennen hinaus. Von seinem Wachtposten aus hört Fähnrich Jens einen dumpfen schwachen Laut. Er zeigt an, dass die „schweres Wasser“-Behälter zerstört sind, und dass 500 Liter schweres Wasser dabei sind, ins Abwasser abzulaufen.

Diese Sabotage verursacht eine Produktionsverzögerung von 3 Monaten. Nun heißt es nur noch ungesehen aus
der Anlage herauszukommen. Auch dies gelingt den norwegischen Saboteuren. Wieder geht es bergauf, mit allen Anstrengungen, die die steile Bergwand ihnen abfordert.

Am Morgen des 28. Februar gehen sie wieder auseinander, das Zusammenleben mehrerer Monate nimmt ein jähes Ende. Alles klappte wie geplant, besser noch als geplant, denkt Jens. Einige der Kameraden möchten nach Schweden, einige werden in Norwegen bleiben.

Diese entscheiden sich dafür, sich noch einige Tage versteckt zu halten.

Die Deutschen suchen fieberhaft nach den Saboteuren. In Rjukan schreiten sie zu Massenarresttationen von Norwegern – doch alle zehn entkommen.

Jens läuft auf seinen Skiern - er läuft und läuft, meist ganz allein. Er ist auf dem Weg nach Oslo. Einmal gerät er beinahe in eine Kontrolle, aber der Sack mit den vielen britischen Sabotagebeweisen bleibt unentdeckt. Später reist er nach Schweden, dann zurück nach England.

Er wird nochmals an einer Sabotageaktion teilnehmen. Sie hat den Codenamen "Sunshine“ und das Ziel, norwegische Industrie vor deutscher Zerstörung zu beschützen.

Insgesamt leisten während des 2. Weltkrieges 530 Norweger Dienst in der Kompanie Linge – bei der Befreiung zählt die Truppe noch 245 Mann. 57 von ihnen verlieren ihr Leben und weitere 7 geraten in deutsche Gefangenschaft.

Die Vemork- Aktion wird im Jahre 1965 unter dem Titel "Die Helden von Telemark“ verfilmt.

Der Schauspieler Kirk Douglas erhält die Hauptrolle. Der britische TV-Kanal BBC hat außerdem eine TV-Serie über die Rjukan-Aktion gedreht.